Anna Seghers: Schriftstellerin im Exil

Während des Zweiten Weltkrieges ging die deutsche Schriftstellerin Anna Seghers ins Exil. Ihre Erfahrungen in Paris und danach in Mexiko boten Stoff für ihre Romane. Bemerkenswert ist, daß sie im Exil Fragen über ihre Identität gestellt hat. Für Seghers war die Darstellung der Wirklichkeit ganz wichtig. Wie sie die Realität verstand, hatte mit ihrer Umgebung zu tun, und die Zeit im Ausland schloß die Auseinandersetzung von vielen Umgebungen ein. Obwohl sie im Exil schrieb, war sie immer noch politisch aktiv.

Seghers war krank als Kind, und deshalb mußte sie oft alleine zu Hause bleiben. Ohne viele Spielfreunde und Erfahrungen außerhalb des Hauses, kam ihre Wahrnehmung der Realität hauptsächlich aus Büchern. Wahrscheinlich hat Seghers deshalb das Schreiben als ihre Form der Kunst ausgewählt. Eine der Stärken von Seghers ist es, detailierte Beschreibungen der Umgebung zu geben. Zuerst muß man den Handlungsort erzeugen. In ,,Kleiner Bericht aus meiner Werkstatt erklärt sie einem Freund, daß man die Kunst der Beschreibung lernen kann. In ihren Worten: "[J]a man kann lernen, einem Stück Wirklichkeit einen Steckbrief auszustellen."

Im Exil versuchte Seghers, an allen Orten eine Heimat zu finden. Anstatt die Orte nur als temporär zu sehen, hat Seghers immer tüchtig versucht, sich zu Hause zu fühlen. Sie hat regelmäßig dieselben Kaffeehäuser, Lokale und Geschäfte besucht, bis sie eine Stammkundin war. Jeanne Stern, eine Freundin in Paris, erinnert sich: "Während die meisten Emigranten noch herumschwirren und in Hotels kampieren, hatte sie sich schon verankert, nur vorläufig und mit der inneren Bereitschaft, jederzeit die Anker zu lichten, aber doch so fest, daß sie in relativer Ruhe arbeiten konnte." Eine solche Teilnahme an der Gesellschaft ihrer Exilorte ist nicht überraschend für die Schriftstellerin, die ihre Umgebung immer gut verstehen wollte.

Obwohl Seghers erschöpfende Beschreibungen forderte, fand sie eine komplizierte Sprache nicht gut. Es war wichtig, eine gute Verbindung zwischen den gebildeten Leuten und der Gemeinschaft zu sichern. Mit anderen Worten sollte die Sprache einfach genug sein, um ein Verhältnis zwischen Intellektuellen und, zum Beispiel, der Arbeiterklasse aufzubauen. Seghers fand jegliches Elitedenken schlimm.

Seghers war der Meinung, daß der Leser aktiv an der Herstellung der Wirklichkeit teilnehmen sollte. Dieses Ideal der Vereinigung, oder Kooperation mit der Gemeinschaft, war das Ziel von Seghers politischer Tagesordnung. Über das Verhältnis eines Volkes zu seiner Kunst sagte Seghers das Folgende: "Hitler konnte die Bücherverbrennung durchführen, weil damals die Dichter isoliert waren, nicht gelesen und nicht verstanden." Natürlich war sie gegen den Faschismus, besonderes weil die jüdische und kommunistisch denkende Seghers einige Monate von den Nazis verhaftet gewesen war.

Nach ihrer Verhaftung ist sie bis 1941 nach Paris geflohen. Nach einer Zeit ist auch Frankreich zu gefährlich geworden, und deshalb ist sie nach Mexiko gegangen. Einige ihrer berühmtesten Werke wurden im Exil geschrieben. Diese Exilliteratur schließt Das siebte Kreuz ein. Der Roman handelt von der Geschichte einer Flucht. Sieben Männer sind aus dem Konzentrationslager Westhofen ausgebrochen. Innerhalb einiger Tage werden sechs wiedergefunden, aber der Siebte, Georg Heisler, ist noch nicht gefunden. Er bekommt Schutz, Geld und einen Paß von einfachen Leuten im Untergrund. Die Hilfe dieser Männer und Frauen führt zu der erfolgreichen Flucht Heislers. Ein Thema des Romans ist, daß man tatsächlich grundsätzlich gut sein kann. Obgleich die Ausbreitung des Faschismus, und hier genauer gesagt des Nationalsozialismus, überall in Deutschland offensichtlich ist, gibt es immer noch einige gute Menschen. Ein repräsentatives Beispiel des Ausdrucks dieses Themas ist in der folgenden Geschichte aus dem Film Das siebte Kreuz sichtbar. Ein Mann, der Heisler den Paß zugestellt hat, sagt, daß einige Ameisen in die Zuckerdose gegangen sind, und binnen kurzem haben sie durch ihren Fleiß die Dose leer gemacht. Sie sind klein, aber sie haben die Aufgabe gemeinsam geschafft. Man kann es versuchen, aber es ist unmöglich, alle Ameisen zu töten. Hier sind die Ameisen Symbole für die Widerstandskämpfer. Heisler war "der Zucker", sozusagen, und seine Freunde haben ihn aus "der Dose", d.h. aus Nazi-Deutschland, befreit.

Inzwischen haben die Nazis im Konzentrationslager sieben Kreuze an entlaubten Bäumen errichtet. Wenn die Flüchtlingen gefunden werden, werden sie zurück nach Westhofen gebracht, wo die Nazis sie kreuzigen. Jedoch muß das siebte Kreuz leer bleiben, weil Heisler die Freiheit findet. Das leere, siebte Kreuz ist ein wichtiges Symbol der Niederlage des Faschismus. Er kann nur bis zu einem bestimmten Punkt Erfolg haben, aber irgendwann muß er aufhören.

Während sie im Exil war, stellte Anna Seghers Identitätsfragen über die deutsche Sprache. Sie war die meiste Zeit in Mexiko, ohne viele deutschsprachige Kollegen. So ein Umstand kann eine Künstlerin in Schwierigkeiten bringen. Im Gegensatz zu einer Malerin und Komponisten, die ihre Kunstformen mitbringen können, ist eine Schriftstellerin im Exil oft von ihrer Sprache getrennt. In der Isolation konnte Seghers die deutsche Sprache überdenken. Sie mußte die Sprache als Muttersprache (die ein Teil ihrer Identität ist) und als Sprache der Nazis verstehen. Die Nazis hatten die deutsche Sprache vergiftet, als sie Wörter mit ihrer Propaganda verbunden hatten. Vielleicht war dieses Problem besonderes schwierig für Seghers, weil die einfache Sprache für sie wichtig war, und die Nazis oft die einfache Sprache verwendet hatten.

Seghers ist 1947 nach Ostberlin zurückgekehrt. Sie hat die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik vorgezogen, weil sie den westlichen Kapitalismus schlecht fand. Nach Seghers Meinung war es besser, die Gemeinschaft anstatt das Individuum zu fördern. So ein Standpunkt war keine Überraschung, weil Seghers immer die Gemeinschaft wichtig fand.

Abschließend läßt sich sagen, daß die Beschreibung der Wirklichkeit wichtig für Seghers war. Das Exil hat sie an viele Orte gebracht. Sie versuchte immer, diese Orte gut zu verstehen. Obwohl sie im Exil war, fuhr sie immer noch fort, ihre politschen Meinungen in ihren Texten auszudrücken. In dem Roman Das siebte Kreuz stellte sie ihre Meinungen über den Faschismus dar. Sie glaubte immer, daß, obwohl die Situation extrem schlecht war, es noch gute Menschen irgendwo darin gab.


Bibliographie

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